Als Kind habe ich immer davon geträumt, Supergirl zu sein. Mit einem pinken Umhang, wehenden Haaren und einer Menge übernatürlicher Kräfte, Röntgenblick inklusive. Meine Schwester und ich hüpften damals durch die Wohnung und stellten uns dabei vor Menschen zu helfen, Bösewichte zu besiegen und die Welt zu retten. Was Superhelden eben so machen. In unserer Fantasie waren wir die weiblichen Versionen von Clark Kent, dazu noch Disney Prinzessinnen, Supermoms und erfolgreiche Karrierefrauen. Wieso auch nicht? Und jeden Tag retteten wir die Welt.
Manchmal träume ich auch heute noch davon, die Welt zu verändern. Tun wir das nicht alle? Dieser innere Drang etwas zu verwandeln, eine Spur auf dieser Erde zu hinterlassen. Damit wir nicht einfach so verschwinden, ausgelöscht und ohne jegliche Erinnerung. Und vielleicht muss man dafür heutzutage ein Superheld sein.
Denn die Welt ist schlecht, das weiß man doch.
Man sieht es jeden Tag in den Medien. Menschen, die sich gegenseitig umbringen, nur weil sie Recht haben wollen. Korruption, Konsumwahn, verschmutze Ozeane, ausgebeutete Länder. Produkte die keiner braucht, aber jeder unbedingt haben will.
Ich sehe mich um und sehe Chaos. Gestresste Gesichter, die in Schulden versinken. Menschen, denen Geld und Status wichtiger ist, als Freundschaft. Konkurrenz statt Zusammenarbeit. Kauf bei mir, ich werde dein Leben verändern. Gib mir dein Geld und ich nehme dir alle deine Probleme.
Umtausch und Rückgabe ausgeschlossen.
Die Welt ist schlecht und muss gerettet werden. Aber wer hat das Recht dazu, sie zu retten? Wer darf bestimmen, was richtig ist und was falsch? Was ist, wenn Superhelden auch nur Terroristen sind? Schließlich töten auch sie, um mit allen Mitteln ihre eigene Sicht der Welt durchzusetzen. Und wer sagt, dass diese Sicht die richtige ist? Unsere Gesellschaft? Achso, dann muss das ja stimmen.
Jeden Tag verändern wir die Welt.
Jeder auf seine eigene Art und Weise. Vielleicht können wir die Welt nicht retten, vielleicht muss sie auch gar nicht gerettet werden. Vielleicht rettet sie ja uns? Aber wir haben diesen Drang in uns, den wir nicht verleugnen können. Wir wollen verändern, wir wollen Recht haben, wir wollen Einfluss besitzen.
Aber wer hat denn nun Recht? Muss meine Wahrheit für jeden wahr sein, nur weil ich sie glaube? Gibt es so etwas wie die eine Wahrheit überhaupt? Doch wir müssen eine Seite wählen, müssen uns entscheiden, denn sonst sind wir formlos. Aber können wir eine Seite wählen und die andere trotzdem verstehen? Oder zeugt auch das nur wieder von Unentschlossenheit? Und ist Unentschlossenheit nicht bekanntlich die schlechteste Entscheidung?
Das ewige Drama des Menschseins.
Sind wir denn schlecht, wenn wir unseren menschlichen Bedürfnissen nachgehen? Oder existieren diese Bedürfnisse aus einem bestimmten Grund? Sollen wir für unsere Ideale kämpfen? Für unsere Vorstellung von einer besseren Welt? Oder zerstören wir damit nur die Welt eines anderen?
Vielleicht ist die Welt gar nicht so schlecht, wie wir glauben. Vielleicht muss sie auch gar nicht gerettet werden, aber vielleicht ist es trotzdem okay, es zu versuchen. Jeder auf seine eigene Art und Weise.
Denn vermutlich haben wir alle das Recht dazu, die Welt zu retten.
Oder niemand hat es.
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Marina ♥