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Wir sitzen in einem Restaurant. Auf zwei Tische verteilt, weil wir anders keinen Platz mehr gehabt hätten. Und irgendwie beginnen wir an unserem Tisch über die Unterschiede zwischen italienischen und deutschen Freundeskreisen zu sprechen. „Der Freund von einer Freundin von mir ist Italiener und bei ihm sind immer mindestens zehn Leute Zuhause, wenn er wen einlädt“, erzählt jemand. 

„Ist doch eigentlich total schön, wenn man so gerne unter vielen Menschen ist“, sage ich und bewundere die Herzlichkeit und Gemeinschaftlichkeit der Italiener. „Ja, schon“, bekomme ich als Antwort. „Aber viele Freunde zu haben bedeutet meistens auch, dass die einzelnen Freundschaften nicht so tief gehen.“

Da ist was dran.

„Er versteht auch überhaupt nicht, dass sich seine Freundin manchmal gerne alleine mit einer Freundin treffen möchte. Für ihn ist es einfach normal, dass man immer mit vielen Leuten zusammen ist“, wird weiter erzählt. Sofort muss ich an einen Artikel denken, den ich Anfang letzten Jahres geschrieben habe. In diesem Artikel ging es darum, dass es besser ist weniger Freunde zu haben, dafür aber die richtigen.

Seitdem ich diesen Artikel geschrieben habe, hat sich einiges bei mir verändert. Und obwohl ich über das Thema immer noch ziemlich gleich denke wie damals, habe ich mich lustigerweise genau in die andere Richtung bewegt. Über die Hälfte der Leute mit denen ich im Moment täglich zu tun habe, kannte ich letztes Jahr noch nicht. Ich habe dieses Jahr so viele neue Menschen kennengelernt, wie noch nie. So viele neue Gesichter, neue Namen, neue Geschichten. Und das ist toll und super spannend.

Aber für meine alten Freunde hatte ich deshalb dieses Jahr kaum mehr Zeit. Und da ich nicht mehr in der selben Stadt lebe, habe ich sie auch kaum gesehen. Letztes Jahr habe ich noch davon geschrieben, wie gut es tut den Freundeskreis einzugrenzen, sich auf die richtigen Menschen zu konzentrieren und diese Freundschaften zu vertiefen. Und dieses Jahr habe ich genau das Gegenteil getan, meinen Freundeskreis wieder erweitert und alte Freundschaften vernachlässigt.

Und irgendwie kann ich mich nicht entscheiden, was besser für mich ist.

Viele Freunde, die man ab und zu trifft? Oder weniger Freunde, mit denen man ganz viel Zeit verbringt? Oder geht vielleicht beides? Vielleicht. Aber wenn man ständig unterwegs und ständig unter anderen Leuten ist, dann ist es manchmal schwer, richtig vertraute Beziehungen aufzubauen. Auch wenn die Verbindung zu vielen Menschen die ich dieses Jahr kennengelernt habe in kürzester Zeit sehr tief geworden ist und diese Freundschaften wirklich alles andere sind als oberflächlich, ist es trotzdem nicht ganz dasselbe.

Und wieder muss ich an Serien wie „Friends“und „Sex and the City“denken, wie auch schon letztes Jahr. Diese Serien zeigen tolle Freundschaften und diese Freundschaften sind unter anderem deshalb so toll, weil die Personen alles gemeinsam erleben. Sie hängen ständig zusammen ab, erzählen sich alles, gehen gemeinsam durch dick und dünn, durch Hochs und Tiefs und wachsen deshalb immer mehr zusammen.

Klar, man muss sich nicht jeden Tag sehen, um eine tolle Freundschaft zu haben. Mit manchen Menschen ist man immer verbunden, egal wie weit entfernt sie sind. Aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich schon sehr gerne wieder einen kleinen, engen Freundeskreis wie bei „New Girl“oder „How I met your mother“. Doch auf der anderen Seite liebe ich es eben gerade einfach viel zu sehr, ständig unterwegs zu sein und neue Leute zu treffen.

Paradox, nicht?

Kann man manchmal beides haben, oder muss man sich immer für eine Sache entscheiden? Klare Entscheidungen machen das Leben oft leichter. Aber manchmal fühle ich mich von klaren Entscheidungen auch eingeschränkt. Ich kann sowohl die Italiener, als auch die Deutschen gut verstehen. Vielleicht weil ich selber zwei unterschiedliche Kulturen in meinen Genen habe. Muss ich mich für eine entscheiden?

Naja, keine Entscheidung ist ja bekanntlich auch eine. Und im Moment lebe ich definitiv eher den italienischen Stil, umgeben von vielen tollen Menschen, offen für neue Bekanntschaften. Und ich genieße das. Aber ich weiß jetzt schon, dass das nicht für immer so sein wird.

Irgendwann werde ich nicht mehr ständig hier und da sein wollen. Irgendwann werde ich an einem Ort bleiben wollen. Irgendwann werde ich nicht mehr wenig Zeit mit vielen Menschen, sondern viel Zeit mit wenigen Menschen verbringen.

Und vielleicht dauert das gar nicht mehr so lange. 

 

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Marina  ♥