Marina-Paunovic-Autorin-Blog-40

„Lass los“, sagen sie. „Vergiss es. Die Vergangenheit ist vergangen.“ Und sie sagen es so, als hätte die Vergangenheit keinen Wert mehr. Keinen Effekt auf meine Gegenwart. Als wäre es so einfach, zu vergessen. Als wäre es besser, alles hinter sich zu lassen. Weil Erinnerungen uns nicht weiterbringen. Weil sie uns an einem Ort einsperren, den es nicht mehr gibt. In einer Zeit, die schon lange vorbei ist. 

Ich habe versucht ihren Rat zu folgen. Habe versucht loszulassen, Erinnerungen hinter mir zu lassen, Erinnerungen wegzuschmeißen. Schöne Erinnerungen. Weil ich Angst hatte, dass sie mich traurig machen. Traurig, weil die Dinge jetzt anders sind. Anders, als damals.

Von weit weg aus betrachtet sieht alles so viel schöner aus. Man kann die Mängel nicht erkennen, sieht die kleinen Fehler nicht. Es sieht so perfekt aus. Eine perfekte Erinnerung. Und manchmal wünsche ich mir, es wäre wieder genauso, wie damals.

Doch ich weiß, dass es nie wieder so ein wird. Und ich weiß auch, dass es gut so ist, wie es jetzt ist. Weil die Erinnerung in Wirklichkeit nicht so perfekt war, wie ich sie jetzt sehe. Weil ich damals etwas anderes sehen wollte. Es war meine Entscheidung. Und trotzdem tut es weh an Zeiten zu denken, die es nie wieder geben wird. Meinetwegen.

Loslassen. Vergessen. Muss ich diese Erinnerungen wirklich aufgeben? Ist es wirklich das Beste für mich, all die schönen Momente in einer Schublade zu verschließen, die ich nie wieder öffnen werde? Vielleicht ist es einfach nur der leichteste Weg. Denn wenn ich Erinnerungen vergesse können sie mich nicht traurig machen. Sie können mir nicht mehr wehtun. Und mit dem Vergessen der Erinnerung vergesse ich auch meine eigenen Schuldgefühle. Meine eigenen Fehler.

Vergessen. Ich will nicht vergessen. Ich bereue es nicht. Meine Vergangenheit ist ein Teil von mir. Sie wird immer ein Teil von mir bleiben. Auch wenn ich sie loslasse wird sie immer bei mir sein und das ist okay. Weil wir nicht wirklich vergessen. Weil wir immer in der Vergangenheit leben werden. Ein kleines bisschen.

Ich bewahre meine Erinnerungen an einem sicheren Ort auf. Er ist weder versteckt, noch schwer erreichbar. Weil ich nichts aus meinem Fotoalbum löschen möchte. Weil ich mich an alles erinnern will, egal wie schmerzhaft es ist. Denn auch wenn es mich traurig macht an bestimmte Dinge zu denken weiß ich, dass es eigentlich nicht so sein muss. Und dass ich irgendwann dankbar zurückschauen kann.

Zurückschauen, auf ein Leben voller bunter Erinnerungen. Auf Fehler, die ich gemacht habe. Auf Fehler, aus denen ich gelernt habe. Auf Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Auf Orte, die etwas in mir ausgelöst haben.

„Lass los“, sagen sie. Aber ich will nicht.

Werde nicht.

Erinnerungen. Ich lasse euch nicht gehen. Ich halte euch fest. Bewahre euch auf. Ihr seid wertvoll, auch wenn ich das nicht immer sehen kann. Meine Vergangenheit muss nicht sterben, damit ich leben kann. Ich muss nicht vergessen, um frei zu sein.

Erinnerungen. Ich laufe nicht mehr vor euch davon. Holt mich ein. Sperrt mich ein. Und spuckt mich wieder aus. Weil ihr mehr seid, als Bilder in meinem Kopf. Weil ihr Emotionen seid, die mich geprägt haben. Gefühle, die mich gelehrt haben. Erfahrungen, die mich verändert haben. Ihr steckt in jeder Faser meines Körpers.

Ich lasse euch nicht los. Ich trage euch bei mir.

Und nun weiß ich euch endlich zu schätzen. 

 

***

Marina  ♥